ich werde (DAY)TRADER

how to survive the learning curve

Handelsstrategie oder Illusion?

Heute stelle ich mal einen sehr interessanten Versuch vor. Man kennt ihn aus den Tradingbüchern und dennoch, für mich hat dieser Versuch bzw. die Ergebnisse viele neue Fragen aufgeworfen, aber auch viele Punkte bestätigt. Es geht um das Thema Strategieentwicklung und dem Ziel eines jeden Traders, einen statistischen Vorteil (Edge) mit dem gewählten Handelsansatz zu finden bzw. erlangen.

Ausgangspunkt: Das berühmte Münzwurfspiel. Wir werfen 1 Millionen mal eine Münze. Wenn die Zahl oben liegt, bekomme ich von Dir einen Euro, wenn Kopf gezeigt wird, bekommst Du von mir einen Euro.

Soweit nichts Neues, wie gesagt in diversen Tradingbüchern und Artikeln bereits beschrieben und abgehandelt. Ganz simpel und einfach. Nun denk noch mal kurz darüber nach, bevor es weiter geht…..

Zum warm werden: Was ist die bzw. Deine Erwartungshaltung über den am Ende des Versuchs realisierten Gewinn oder Verlust?

Mit diesem Versuch ist natürlich kein signifikanter Vor- oder Nachteil zu erwarten, jede Münzseite hat eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent. Wenn man wirklich 1 Mio. mal wirft, sollte rein mathematisch / statistisch am Ende für den Gewinn/Verlust eine 0 rauskommen (zumindest theoretisch).

Es würde aber in der Realität eher überraschen, wenn man nach 1 Mio. Würfen wirklich mit +-0 abschließt. Wahrscheinlicher ist, dass man am Ende mit ein paar hundert Euro im Plus oder Minus abschließt.

Gehen wir mal weiter:

Wenn wir bei dem Versuch kontinuierlich den „Kontostand“ überwachen, also wieviel Geld Du derzeit eingenommen bzw. zurückgezahlt hast, so dürfte man erwarten dass der Kontostand einige Male die Nulllinie durchschreiten wird (stell Dir vor Du gewinnst zuerst einen Euro, dann beim nächsten Wurf wieder einen Euro, dann verlierst Du die nächsten 2 Würfe und zahlst somit 2 Euro – und bist somit wieder bei 0. In diesem Fall warst Du also für drei Würfe im Plus). Für wieviele Würfe hintereinander würdest Du erwarten, dass Du bei diesem Zufallsspiel mit Deinem „Konto“ insgesamt im Plus oder im Minus bist? Wenn wir also Deinen laufenden Kontostand über die 1 Mio. Münzwürfe aufzeichnen würden, wie würde Deiner Meinung nach die Kurve aussehen? Wie lange würdest Du meinen dass Du im Plus oder im Minus bist. Über 10 Würfe, 100, 1.000, 10.000? Oder mehr?

Und in diesem Zusammenhang: Über die 1 Mio. Würfe, würdest Du erwarten dass der laufende Gewinn und Verlust (GuV) oft die 0 – Linie durchkreuzt, oder ist es wahrscheinlicher dass man über längere Phasen im Plus oder Minus ist?

Mit einer einfache Computersimulation lässt sich das Testszenario einfach nachbilden und veranschaulichen.

Es wurden 5 Durchläufe simuliert. Die Anzahl der Münzwürfe, die Kopf zeigten wurden dabei dokumentiert, sowie die Anzahl der Würfe, für die der GuV über oder unter der 0 – Linie blieb – die Ergebnisse sind also in 5 Charts  aufgezeichnet.

Schauen wir uns mal den ersten Durchlauf an. Wie gesagt ist es relativ unwahrscheinlich, dass  nach 1 Mio. Würfen genau zu 50% Kopf bzw. Zahl geworfen wurde.

So sieht also der Chart für den ersten Durchgang aus – X – Achse sind die 1 Mio. Würfe, Y – Achse der Gewinn/Verlust zum jeweiligen Stand.

Der Verlauft dürfte überraschen:

 

GuV - Verlauf für 1 Mio. Münzwürfe

GuV - Verlauf für 1 Mio. Münzwürfe

 

Moment, dass soll der Verlauf sein? Wirklich?

Die meisten Leser werden wohl eher vermutet haben, dass der GuV sich irgendwo an der 0 – Linie entlang bewegen würde. Aber in der Realität sind solche Abweichungen sehr häufig. Es ist auch sehr wahrscheinlich dass wenn man sich erstmal von der 0 – Linie wegbewegt hat, dass man auch länger davon entfernt bleibt als sich wieder anzunähern.

In diesem Durchlauf waren 814.763 von 1 Mio. Würfe tatsächlich in der positiven GuV – Zone. Falls Du meinst es handelt sich hier um eine abnormale Abweichung oder ein Fehler – die anderen 4 Durchläufe ergaben folgende Zahlen: 71.903, 646.124, 453.474 und 87.492 Würfe über bzw. unter der Nulllinie – also bunt gemischt.

Was geschieht hier, warum weichen diese Zahlen so stark von unseren Erwartngen ab?

Nun, es sind anhand des Beispiels definitiv sehr interessante und wichtige Lehren für den Trader zu ziehen:

Im Grundsatz sind wir Menschen eher schlecht in der Bewertung und dem Gespür für zufällige / chaotische Ereignisse. Wir unterschätzen die „Strähnen“ bei zufälligen Verläufen und wir haben somit tendenziell Probleme mit der Beurteilung und Analyse von Zufallsreihen und -ereignissen.

In dem oben gezeigten Chart war der GuV bei über 800.000 Münzwürfen über 0, und wenn man ihn eher beiläufig betrachtet, so fällt einem (insbesondere als Trader) auf, dass der Chart tatsächlich einen Trendverlauf aufweist.

Wenn dies ein Handelssystem bzw. eine Handelsstrategie wäre, die Du tradest, hättest Du dann nicht schnell gedacht, dass Du einen statistischen Vorteil hast, also ein System mit positivem Erwartungswert?

Und es gibt noch weitere Schlüsse, die man aus diesem Chart ziehen kann. Nehmen wir mal an, der Chart zeigt nicht das einfache Münzwurfspiel, sondern es ist tatsächlich ein echter Chart der den Kursverlauf einer Aktie darstellt. Schau Dir den Chart mal genau an, und auch die anderen folgenden (die anderen 4 Durchläufe). Kannst Du Trendverläufe identifizieren? Unterstützungs und Widerstandslinien? Natürlich….siehe Dir einfach mal an, wie toll die 0 – Linie zweimal als Unterstützung gedient hat. Der Kurs hat sich sich davon entfernt und die Linie nie wieder berührt!

Wenn dies das erste Mal ist dass Du auf einen Chart mit zufälligem Preisverlauf schaust, überraschen Dich die augenscheinlichen Chartmuster? Bitte führe Dir vor Augen, dass die Verläufe in diesen Charts Zufallsprodukte sind, rein zufällige Verläufe!!! Jedes Muster ist ein Zufallsergebnis. Eigentlich gibt es gar keine Unterstützungs- und Widerstandslinien in diesen Charts. Jeder Trendverlauf und jede Preisrange ist ein Produkt des Zufalls. Nur Dein Auge, das Auge des Betrachters produziert die Muster, genau so wie man in zufällig betrachteten Wolkenformationen Gesichter und Tiere erkennt.

Worauf will ich hinaus?

Es soll Dir als Trader dazu dienen, vorsichtig mit Schlussfolgerungen zu sein. Dass man bei Preisaktivitäten im Markt nicht sofort annimmt, dass dies „kein Zufall“ sein kann. Zufällige Preisbewegungen können schöne Muster produzieren, wie aus dem Lehrbuch.

Man muss vorsichtig sein dass man nach einer Reihe guter Trades nicht gleich schlussfolgert dass man einen statistischen Vorteil bzw. positiven Erwartungswert gefunden hat, dass man eine Gewinnerstrategie gefunden hat.

Viele Trader finden es schwer, unangenehm und beunruhigend, sicher über die Zufälligkeit des Marktes Gedanken zu machen – und es gibt natürlich viele Verfechter dass es eben nicht nur Zufälligkeiten sind. Sicherlich liegt die Wahrheit in der Mitte.

Wichtig ist, dass der Trader nicht blind einer Meinung folgt, dass der Trader nicht ohne kritisches Hinterfragen sofort zu Annahmen und Überzeugungen gelangen, wie der Markt funktioniert.

Schau Dir nun also die anderen vier Durchläufe an – erkennst Du sie, die Widerstände, Unterstützungen, Trends, Kanäle, Dreiecke, Flaggen, Wimpel, Ms, Ws, etc…….denk darüber nach!

Quelle: SMB Training

Einzelbeitrag-Navigation

4 Gedanken zu „Handelsstrategie oder Illusion?

  1. Das Beispiel mit den Münzwürfen wird regelmäßig auf allen Trading Blogs dieser Welt gepostet und jeder kommt zum gleichen Ergebnis. Irgendwie langweilig, findest du nicht?
    Diese Simulation läuft in einem Programm, völlig emotionsfrei und ohne äussere Einflüsse. Das die Punkte, verbunden mit Linien einen Chart ergeben ist auch klar, aber da hören sich die Gemeinsamkeiten mit der Börse auch schon wieder auf.
    Börse ist Emotion, Irritation, Gier, Angst, massenpsychologische phänomene, und noch vieles mehr. Und genau da liegt der Vorteil eines erfolgreichen Traders. Mit ist schon klar das die unterschiedlichen Herangehensweisen wie Religionen behandelt werden, alle beten einen Gott an, aber jeder auf seine Weise.
    Wer es schafft die Charts auf das Minimum zu reduzieren, den Kurs, und diesen lesen kann wie ein Notenblatt, der hat seinen Vorteil.

    Probier mal das du aus deinem Münzwurf einen Candlestickchart zauberst. Spätestens da erkennst du das dieses Beispiel nichts mit der Börse zu tun hat.

  2. ask70 sagte am :

    Wieso langweilig? Extrem spannend würde ich mal sagen.
    Denn warum wird das Beispiel immer wieder gebracht – weil es immer wieder erklärt werden muss! Weil die meisten es zwar lesen, aber bei weitem nicht verstehen was dahinter steckt. Weil viele sagen „ja, aha, klar, jo“, aber dann im Trading doch wieder ganz anders agieren und das Münzwurfbeispiel vergessen.
    Ich will mit den Charts ja nicht sagen, dass technische Analyse nichts bringt – ganz im Gegenteil, ich trade ausschließlich mit den Mitteln der technischen Chartanalyse.
    Aber man muss da halt extrem aufpassen, dass man wirklich auch bei den Basics bleibt, als wie Du schon sagst Gier, Angst, Emotionen…
    Man kann viele Linien malen, weil man praktisch überall eine Widerstands-, Unterstützungs- und Trendlinie sehen kann.
    Und gerade ein Anfänger fängt doch schnell an, überall etwas zu sehen.

    Aus dem Münzwurfbsp. einen Candlestick zu zaubern wäre auch nicht schwer, denn auch mit einem Zufallsalgorithmus ließe sich sowas schnell bewerkstelligen, ohne dass die meisten den resultierenden Chart von einem echten Chart unterscheiden könnten. Exakt darum geht es doch.
    Und nur weil Du mit Candlesticks handelst solltest Du es nicht verallgemeinern. Es gibt genauso Trader die nur auf EoD bzw. Closedaten schauen, also Linienchart.

    Ich verstehe voll und ganz, was Du sagen willst, und genau das soll dieses Beispiel doch ausdrücken – der Trader sollte sich IMMER WIEDER darauf besinnen, was hinter den Informationen auf dem Chart stecken, nämlich MENSCHEN, und damit Emotionen. Wenn man das verinnerlicht hat, dann sieht man den Chart sofort ganz anders, und dann wird ein Schuh draus, denn dann wird man relativ einen „Münzwurfchart“ von einem echten Chart unterscheiden können.

  3. Ein wirklich sehr interessanter Artikel. Die Königsdisziplin des Tradens ist sicherlich das Daytrading. Die meisten privaten Investoren schaffen es nicht an der Börse erfolgreich zu sein und nur die wenigsten werden zu erfolgreichen Daytrader. Als erfolgreicher Daytrader kann man sehr viel Geld verdienen. Jedoch darf man hierbei das Risiko nicht vergessen. Nur ein minimaler Prozentanteil schafft es erfolgreich zu werden, da die meisten die Anforderungen / Voraussetzungen einfach nicht mitbringen. Die größte Hürde ist hierbei sicherlich die eigene psychologische Einstellung – Angst und Gier können sehr schnell die Tradingpsychologie beeinflussen. Disziplin und Geldmanagement werden schnell über den Haufen geworfen, wodurch das Scheitern an der Börse bereits vorprogrammiert ist! Daytrader besitzen / verifizieren eigene Handelsstrategien. Aufgrund der kurzfristigen Auslegung wird hierbei gerne auf Hebelprodukten zurückgegriffen. Mit diesem Einsatz steigt zudem das eingegangene Risiko. Dadurch wirken sich die Fehler von Investoren bei den Daytradingstrategien noch stärker aus!

  4. Daniel Zozula cfd-Project sagte am :

    Meine Name ist Daniel ich habe 7 Jahre Erfahrung in Strategieentwicklung vollautomatischer Handelssysteme

    Kursverläufe können keiner Wahrscheinlichkeit gaußischen Kurve herangezogen werden
    oder eine 50/50 Aussage ist somit falsch

    Die Gewinn/Verlustwahrscheinlichkeit kann statistisch nicht korrekt erfasst werden

    Gewinn und Verlust ist auch abhängig von der Höhe des Stop Loss.

    je Höher der Stopp Loss bis zu einen bestimmten Grad kann 50/50 Gewinnwahrscheinlichkeit herrangezogen werden wenn jedoch der Stop Loss zu groß ist wird die Gewinn und Verlust-Wahrscheinlichkeit verzerrt.

    Wenn der Stopp Loss extrem klein oder zu klein ist beträgt die Gewinnwahrscheinlichkeit nahe 0-2%

Hinterlasse einen Kommentar